Selbständigkeit und Eltern sein Teil 1, von Csilla Ott
2 October 2017 - impacthubteam

„Sein Ding machen“ und gleichzeitig für die Kinder da sein. Das klingt toll. „Mein Ding machen“ hiess
für mich vor acht Jahren, den Job zu künden und ganz für die Familie da zu sein. Heute bin ich auf
Jobsuche und es harzt sehr. Ob es an meiner längeren Auszeit vom Erwerbsleben liegt? Die Frage
nach der beruflichen Selbstständigkeit taucht in mir auf. Sie taucht besonders immer wieder auf im
Umfeld des Impact Hubs, wo ich zurzeit Hubonautin bin. Ich habe mich darum auf die Suche nach
Impact Hub Members gemacht, die beides kombinieren: also selbstständig arbeiten und Familie
haben. Ist das möglich? Und wenn ja, wie?

Hynek Bures – Der alles-wird- gut-Macher (drei Kinder: 2, 6 und 9 Jahre) www.dubbedperceptions.com

Hynek wusste von Anfang an, dass es irgendwie klappen würde. Für ihn war klar, dass er die
bisherige Arbeit als Angestellter bei der DEZA nicht länger machen wollte. Während seine Frau mit
dem zweiten Kind schwanger war, machte er sich 2011 selbstständig. Keine fixen Arbeitszeiten, mehr
Flexibilität und Freiheiten als selbstständiger Filmemacher. „Du musst es einfach ausprobieren, ob
diese Arbeitsweise zu dir passt!“ sagt Hynek mit Begeisterung. Jetzt hat er zehn Wochen Ferien im
Jahr und arbeitet auch manchmal am Strand. Auch seine Frau hat sich vor einem Jahr selbstständig
gemacht.
Morgens begleitet er die Kinder in die Schule. Kurz nach 9 Uhr beginnt sein Arbeitstag. Beim
abendlichen Abholen der Kinder wechselt er sich mit seiner Frau ab. Das jüngste Kind ist an vier
Tagen in der Kita, die älteren in der Schule. Mittwoch nachmittags nimmt sich Hynek frei und geht
mit seiner Tochter klettern. Je nach dem arbeitet er auch kurz im Café, während der Kletterzeit.
Abends, nachdem die Kinder im Bett sind und an Wochenenden, arbeitet er weiter. „Mir passt das
super“ sagt er und fühlt sich nicht gestresster, als in der Zeit als Angestellter. „Der grosse Unterschied
zu vorher besteht darin, dass ich jetzt viel mehr an die Arbeit denke. Ich überlege mir oft, was noch
erledigt werden muss. Aber ich beklage mich nicht, ich habe schliesslich mein Hobby zum Beruf
gemacht!“ Hynek schätzt die Zeit sehr, die er mit seinen Kindern verbringt. Die unbekümmerte
Verspieltheit, die er mit seinen Kindern teilt, dient ihm als Ressource für seinen kreativen
Ideenfindungsprozess.

Die alltäglichen Aufgaben zuhause haben sich er und seine Partnerin klar aufgeteilt. Er kauft ein,
kocht abends und sie übernimmt Planung, Organisation und Koordination mit anderen Kindern und
Eltern. Meistens passt es gut. Hynek gibt offen zu, dass er bei seinem Sprung in die Selbstständigkeit
von Anfang an Glück hatte und zur richtigen Zeit am richtigen Ort war. Sein erster Auftrag flog ihm
bald zu. Klar kennt auch er Zeiten, in denen das Geschäft ruhiger läuft, doch ganz ohne Aufträge ist er
noch nie dagestanden.
Was für ihn die grösste Herausforderung sei, möchte ich wissen. „Das Schaffen von Zeitfenstern für
die Beziehung.“ Diese bleibe zu leicht auf der Strecke, weil beide dauernd am arbeiten sind und alles
am Funktionieren halten müssen. Das Paar hat es sich fest eingerichtet, regelmässig ein Wochenende
zu zweit ohne Kinder zu verbringen. Ich frage Hynek, was er Gründerinnen und Gründern raten
würde, die sich überlegen, auch Kinder zu bekommen. „Man muss es einfach tun! Sonst riskiert man
später eine Riesenfrustration im Leben.“ Hynek liebt die Kombination von Selbstständigkeit und
Familie. Seinen Rat für Durststrecken gibt er mit einem breiten Grinsen: „einfach weitermachen. Und
alles wird gut!“

Das ist nicht immer so einfach, wie es sich anhört. Durststrecken oder Richtungswechsel können ganz
schön kräftezehrend sein. Manchmal hilft nur eine Weichenstellung im Familienmodell, wie uns
Bettina Hirsig erzählt.

Bettina Hirsig – eigenes Projekt beflügelte ihr Muttersein (zwei Kinder, 3 J und 14 Mt.) www.pacific-catch.ch und www.geileeier.ch

Ich bin beeindruckt von einer Freundin von mir. Sie hat mit ihrem Mann eine klassische
Rollenverteilung, sie zu Hause, er verdient das Geld. Nie hatte ich das Gefühl, sie hätte sich aufgrund von äusserem Druck dazu entschieden. Sie scheint wirklich glücklich zu sein.

Bei Bettina selbst sieht es anders aus: Sie und ihr Partner arbeiten und versuchen wie Jongleure, die
Bälle Arbeit, Kinder, Beziehung, Haushalt und Unvorhergesehenes gleichzeitig in der Luft zu halten.
Eine echte Herausforderung! Hinzu kommen Konflikte in der Beziehung, die sich um Genderthemen
drehen, wie zum Beispiel, wer denn jetzt mehr abwäscht. Warum sie es sich denn so kompliziert
machen, werden sie manchmal von unserem Umfeld gefragt. "Für mich ist es wichtig, auch zu
arbeiten!” Bettina findet den Druck auf Frauen wie auch Männer heute gross. Beide sind gefordert,
müssen viele Rollen gleichzeitig erfüllen und den Spagat zwischen Erwerbs- und Familienarbeit
schaffen – ein bisschen wie Super Woman oder Superman. Bettina blickt bereits auf eine bewegte
berufliche Laufbahn zurück, die sie zum Teil mit eigenen selbständigen Projekten oder zusammen mit
ihrem Mann umsetzt. Während der ersten Schwangerschaft war sie in Teilzeit angestellt und
arbeitete die restliche Zeit an einem eigenen Start-Up. Nach der Geburt war sie weder angestellt,
noch hatte sie ein eigenes Projekt am Laufen. In dieser Zeit war ihr Mann für einen Monat
berufsbedingt abwesend. „Der grösste Challenge während der Abwesenheit meines Mannes war für
mich das Alleinsein mit dem Neugeborenen“, erzählt Bettina.

Bettina hat eine grosse Weichenstellung vorgenommen. Wie hat sie das hingekriegt? Wer hat ihr
dabei geholfen? Im zweiten Teil dieses Blogposts kannst du nachlesen, wie Bettina das Blatt
gewendet hat. Ausserdem lernst du einen Vater und Unternehmer vorgestellt, der mutige
Pionierarbeit leistet. Lies mehr in Kürze auf unserem Blog in in Teil 2.