„Wir wollen ein Verfahren, bei dem es um das Können und nicht um das Foto auf dem CV geht!“ Mit diesem Satz fing mein Bewerbungsverfahren für den Impact Hub Bern an.
Eines Nachmittags setzte ich mich an meinen Laptop und surfte durch das Internet auf der Suche nach einem neuen Job. Als baldige Kommunikationsabsolventin sprach mir die Stelle als „Trainee Kommunikation“ im Impact Hub Bern direkt an. Du bist eine Person die keinen 08/15 Job will? Ja, dachte ich. Zu diesem Zeitpunkt wusste ich noch nicht, dass nicht nur der Job an sich nicht 08/15 sein wird, sondern auch das ganze Bewerbungsverfahren.
„Wir arbeiten auf Augenhöhe, einen Chef gibt es nicht“ und „Wir agieren anhand unseres Co-Manifestos“, hiess es im Stellenbeschrieb. Ich meldete mich beim Team. Ich hatte bereits alles vorbereitet, Lebenslauf und Bewerbungsschreiben, als ich eine Antwort erhielt: Bitte fülle die Aufgaben im Google Doc, welches in der Ausschreibung verlinkt ist, aus und dann werden wir uns bei dir melden.
So öffnete ich den Link und begann, die Aufgaben durchzulesen. Ich war etwas überrascht, denn eine solche Bewerbung war mir neu. Meistens wird der Lebenslauf vorausgesetzt, um überhaupt zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen zu werden. Ich war beeindruckt und nervös zugleich. Das erste Mal wurde mein Können und Wissen anhand einer Übung geprüft und nicht anhand meiner Abschlüsse und Noten.
Als Einstiegsaufgabe musste ich einschätzen, wie gut ich mich in verschiedenen Social Media Netzwerken auskenne und welche Tätigkeiten ich beherrsche. Solche Selbsteinschätzungen sind zum Teil sehr schwierig, weil jede Person unter „sehr gut“ etwas Anderes versteht. Nun musste ich einige Facebook-, Twitter- und LinkedIn- Posts auf Deutsch sowie Englisch schreiben, und darin über eine vorgegebene Veranstaltung berichten. Zudem musste ich ein Bild zum Thema digitale Transformation heraussuchen, Zielgruppen für eine Veranstaltung definieren sowie Verbesserungsvorschläge für die Webseite des Impact Hub Bern machen. Diese Bewerbung war im Gegensatz zu „normalen“ Bewerbungsprozessen mit mehr Aufwand und Druck verbunden.
„Wir wollten damit die richtige Person mit den richtigen Fähigkeiten finden“, erklärte Andrea, die Kommunikationsverantwortliche im Impact Hub Bern. Sie druckte damals die Antworten zu den Fragen einzeln und anonymisiert aus und liess einige Mitarbeitende die besten und schlechtesten Antworten auswählen. Dank diesem Verfahren sollte eine möglichst objektive Bewertung entstehen. Denn schon alleine der Name eines Bewerbenden löst Konnotationen aus. Kommen dann noch Faktoren wie Alter, Ausbildung, und möglicherweise schlecht gewählte Fotos dazu, kann es dazu kommen, dass eine Person nicht einmal zum Vorstellungsgespräch eingeladen wird, obwohl sie die richtigen Fähigkeiten besitzen würde.
Einige Tage später wurde ich zum Vorstellungsgespräch eingeladen. Ich wurde herzlich von Miriam und Andrea empfangen. Im Gespräch lernten wir uns kennen und ich konnte mir ein Bild von der Stelle machen. Nach dem Gespräch reichten sie mir ein Blatt mit zwei Aufgaben, die ich innert 15min zu lösen hatte.
Nun sitze ich wieder am Laptop. Dieses Mal nicht auf Jobsuche, sondern an meinem ersten Arbeitstag im Impact Hub und schreibe über den Bewerbungsprozess, der mich hierher geführt hat
Diese Art von Verfahren gibt Personen, welche ihr Können nicht an einer Hochschule erlernt haben, die Möglichkeit, eine Arbeitgeberin von sich zu überzeugen. Schliesslich wird in der Praxis keine Theorie abgefragt, sondern das Anwenden der Theorie ist grundlegend. Da der Schwerpunkt auf dem Können liegt, können so auch Diskriminierungen aufgrund von Geschlecht, Alter, Nationalität oder Aussehen vermieden werden. Das Verfahren bevorzugt BewerberInnen mit einer hohen Motivation, die sich auch mit dem Unternehmen identifizieren können. Dadurch, dass das Bewerbungsverfahren so kompliziert ist, gibt es jedoch auch weniger BewerberInnen. “Wenn wir ein anderes Verfahren gewählt hätten, hätten wir wohl aus einem viel breiteren Pool von BewerberInnen auswählen können. So hatten wir nur etwa 10 Bewerbungen, was für eine solche Stelle extrem wenig ist. Aber die tiefe Anzahl der Bewerbenden wurde durch die hohe Qualität der Bewerbungen wett gemacht”, erklärt Andrea vom Impact Hub Bern. Auch ist der Zeitaufwand für die Erstellung der Aufgaben nicht zu unterschätzen, diese können jedoch für spätere Ausschreibungen weiter verwendet werden.
Mein erster Arbeitstag ist bald zu Ende und mir steht ein spannendes 6-monatiges Praktikum bevor. Das Foto auf dem CV war nicht entscheidend bei der Bewerbung, doch gerade lade ich mein Foto auf allen Tools, Apps und Channels, die im Impact Hub benutzt werden, hoch – ihr werdet mein Gesicht also noch öfter sehen.